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Anspruch auf kostenfreie Übermittlung von Behandlungsunterlagen nach Art. 15 DSGVO

Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa • 25. November 2020
Das LG Dresden hat mit Urteil vom 29.05.2020 (Az. 6 O 76/20) entschieden, dass die dort beklagte Klinik gegenüber der klagenden ehemaligen Patientin unentgeltlich Auskunft über die von der Klinik gespeicherten personenbezogenen Daten durch Übermittlung der vollständigen Behandlungsdokumentation im pdf-Format zu erteilen habe.

Was war passiert?
Die Klägerin war über mehrere Wochen stationär in der von der Beklagten betriebenen Klinik behandelt worden.

Nach ihrem Klinikaufenthalt verlangte die Klägerin von der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben unter Verweis auf das Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO unentgeltliche Auskunft über die bei der Beklagten gespeicherten, die Klägerin betreffende personenbezogenen Daten. Dem Auskunftsverlangen war eine anwaltliche Vollmacht beigefügt. Der Zweck des Auskunftsverlangens bestand für die Klägerin offenbar (auch) darin, mögliche Haftungsansprüche gegenüber der Beklagten zu prüfen.

Die Beklagte lehnte in ihrem Antwortschreiben eine kostenfreie Übersendung der verlangten Behandlungsunterlagen ab. In einem weiteren Schreiben hielt die Beklagte an ihrer Ansicht fest und verwies darauf, dass eine Übersendung der Unterlagen auf einem Datenträger für 5,90 € zuzüglich Versandkosten möglich sei. Daraufhin machte die Klägerin die von ihr verlangte unentgeltliche Auskunft im Klagewege geltend.

Entscheidung des LG Dresden: Klage begründet
Nach Ansicht der LG Dresden ist die Klage vollumfänglich begründet. Der von der Klägerin geltend gemachte Auskunftsanspruch ergebe sich aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Im Rahmen der stationären Behandlung der Klägerin seien personenbezogene Daten der Klägerin erhoben worden. Der von der Klägerin verlangten Auskunft sei die Beklagte bislang nicht nachgekommen.

Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet
Das LG Dresden sieht den Anwendungsbereich der DSGVO bei der hier erfolgten Speicherung von Daten im Rahmen einer Gesundheitsbehandlung eröffnet. Der Umstand, dass die Klägerin die Auskunft hier zum Zwecke der Prüfung möglicher zivilrechtlicher Haftungsansprüche gegenüber der Beklagten geltend mache, lasse die Anwendbarkeit der DSGVO nicht entfallen. Die in Art. 2 Abs. 2 DSGVO genannten Ausschlussgründe seien nicht einschlägig. Die Datenverarbeitung erfolge im Rahmen der Tätigkeit der Beklagten als Gesundheitsdienstleister, die ausdrücklich in dem Erwägungsgrund 63 der Einleitung des DSGVO genannt sind.

Kein Vorrang des Einsichtsrechts nach § 630g BGB
Nach Ansicht des LG Dresden stellt § 630g BGB (Einsichtnahme in die Patientenakte) auch keine vorrangige Spezialregelung gegenüber dem Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO dar. Eine Regelung auf nationaler Ebene, wie die des § 630g BGB, könne gegenüber einer europarechtlichen Regelung wie Art. 15 DSGVO kein Vorrangverhältnis entfalten. Die DSGVO sehe eine Öffnung für anderslautende Regelungen nicht vor. Die Ansprüche aus § 630g BGB und Art. 15 Abs. 3 DSGVO bestünden nebeneinander.

Ordnungsgemäße außergerichtliche Aufforderung
Die Beklagte sei auch vorgerichtlich ordnungsgemäß zur Abgabe der Auskunft aufgefordert worden. Dem stehe nicht entgegen, dass in der dem Auskunftsverlangen beigefügten Anwaltsvollmacht keine datenschutzrechtlichen Ansprüche genannt worden seien. Die Beklagte stelle nicht in Abrede, dass die Ansprüche zur Vorbereitung einer etwaigen Haftungsklage geltend gemacht wurden und dieses Vorgehen von der Anwaltsvollmacht umfasst sei. Die Anspruchsgrundlage einer vorbereitenden Auskunft sei dabei unerheblich. Auch der Umstand, dass in dem Auskunfts- und Klageverlangen ein früherer Zeitpunkt vor Beginn der Behandlung genannt werde, führe nicht zur Unbestimmtheit des Auskunftsanspruchs.

Kostenfreie Auskunft geschuldet
Schließlich habe die Beklagte die Datenübermittlung auch nicht von der Übernahme von Kosten iHv 5,90 € zuzüglich Versandkosten abhängig machen dürfen.

Das Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO sehe eine kostenfreie Erstauskunft vor. Dem stehe nicht entgegen, dass in der Vorschrift § 630g Abs. 2 BGB eine Kostenpflicht für die dort normierte Erstauskunft geregelt sei. Bei dem von der Klägerin verlangten pdf-Format handele sich zudem um ein gängiges Format iSd Art. 15 Abs. 3 DSGVO.

Praxishinweise
Der Anspruch des Betroffenen nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO gegenüber dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen umfasst auch die Auskunft über die im Rahmen von medizinischen Behandlungen erfolgte Verarbeitung personenbezogener Daten.

Das Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO besteht dabei grundsätzlich unabhängig vom Motiv und Zweck des Auskunftsverlangens.

Die Erstauskunft ist zudem kostenlos. § 630g BGB stellt in diesem Zusammenhang keine vorrangige Spezialregelung dar.

von Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa 25 Nov., 2020
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