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Neue Orientierungshilfe zur Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen

Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa • 14. September 2020
Die Datenschutzkonferenz (DSK), das Gremium der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder, hat eine neue Orientierungshilfe zur Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen veröffentlicht.

Laut DSK greife Videoüberwachung heutzutage in Rechte und Freiheiten der Personen ein, ohne dass die Mehrzahl hierfür Anlass gegeben habe. Das Risiko, das mit einer Videoüberwachung Rechte von Betroffenen verletzt werden, habe sich in den vergangenen Jahren aufgrund der geringeren Anschaffungskosten bei zugleich verbesserter technischer Qualität deutlich erhöht. Die jetzt veröffentlichte Orientierungshilfe biete Betroffenen und Verantwortlichen Informationen über die Voraussetzungen für eine datenschutzgerechte Videoüberwachung in unterschiedlichen Lebensbereichen. Zudem finden sich im Anhang der Orientierungshilfe Muster für Hinweisschilder, die es dem Verantwortlichen erleichtern sollen, den Transparenzpflichten gem. Art. 12 ff. DSGVO nachzukommen.

Die Definition und die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen gemäß der Orientierungshilfe der DSK werden im nachfolgenden Überblick kurz zusammengefasst. Die zusätzliche Lektüre der Orientierungshilfe wird ausdrücklich empfohlen.

Wann liegt eine Videoüberwachung vor?
Eine Videoüberwachung liegt nach Definition der DSK vor, wenn mit Hilfe optisch-elektronischer Einrichtungen personenbezogene Daten verarbeitet werden. Von diesem Begriff seien nicht nur handelsübliche Überwachungskameras erfasst, sondern jegliche Geräte, die zur längerfristigen Beobachtung und somit für einen Überwachungszweck eingesetzt werden. Eine Videoüberwachung könne daher vorliegen, wenn z.B. mit Webcams, Smartphones, Dashcams, Drohnen, Wildkameras sowie Tür- und Klingelkameras gefilmt wird. Auch wenn beim Einsatz dieser Geräte keine „Videoüberwachung“ im oben definierten Sinne stattfindet und zunächst kein Überwachungszweck verfolgt wird, richte sich die Zulässigkeit der Datenverarbeitung nach den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Dies gelte jedoch nicht, wenn es sich um eine Datenverarbeitung zu ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken handelt oder wenn gar keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden.

Wann ist eine Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen rechtmäßig?
Im Anwendungsbereich der DSGVO beurteilt sich die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten mittels Videoüberwachung mangels einer speziellen Regelung nach den Rechtmäßigkeitstatbeständen des Art. 6 Abs. 1 S. 1 DSGVO.

Bei einer Videoüberwachung wird dabei regelmäßig Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO Rechtsgrundlage für eine Datenverarbeitung sein.

1. Vorherige Festlegung des Zweckes der Videoüberwachung für jede Kamera
Spätestens bei Beginn jedweder Videoüberwachung ist gemäß dem Grundsatz der Zweckbindung nach Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO für jede Verarbeitung eindeutig zu bestimmen, welcher Zweck mit der Videoüberwachung erreicht werden soll. Die jeweiligen Zwecke (z.B. Schutz vor Einbrüchen Diebstählen, Vandalismus (Eigentumsschutz) oder Übergriffen (Personenschutz) sind für jede einzelne Kamera schriftlich zu dokumentieren (vgl. Art. 5 Abs. 2 DSGVO) und ins Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten aufzunehmen (vgl. Art. 30 DSGVO). Nicht näher bezeichnete „Sicherheitsgründe“ sind für eine DSGVO-konforme Festlegung nicht ausreichend.

2. Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO
Die Verarbeitung mittels Videoüberwachung ist nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO rechtmäßig, wenn sie
  • zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten 
  • erforderlich ist, 
  • sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.
2.1. Berechtigte Interessen
Das nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO vorausgesetzte berechtigte Interesse kann ideeller, wirtschaftlicher oder rechtlicher Natur sein. Das Interesse ist berechtigt, wenn es hinreichend klar formuliert (z.B. Schutz vor Vandalismus oder Diebstahl) und nicht rein spekulativ ist. Das Interesse muss aber durch konkrete Tatsachen belegt werden können. Subjektive Befürchtungen oder ein allgemeines Unsicherheitsgefühl reichen nicht aus. Mögliche Vorfälle oder Ereignisse aus der Vergangenheit, die zur Begründung eines berechtigten Interesses herangezogen werden, sollten entsprechend genau dokumentiert sein und ggf. gegenüber der Aufsichtsbehörde nachgewiesen werden können.

Der Nachweis einer lediglich abstrakten Gefahrenlage kann nur in Ausnahmefällen ausreichend sein, wenn eine Situation vorliegt, die nach allgemeiner Lebenserfahrung typischerweise gefährlich ist, z.B. in Geschäften mit wertvoller Ware (etwa Juweliere).

2.2. Erforderlichkeit
Vor dem Einsatz der Videoüberwachung ist zu prüfen, ob sie geeignet und erforderlich ist, den festgelegten Zweck zu erreichen. Greifen alternative Maßnahmen weniger in die Rechte der betroffenen Person ein und sind sie gleich geeignet, die Zwecke der Überwachung zu erreichen, müssen diese alternativen Maßnahmen vorrangig gewählt werden.

Kommen nach dieser Prüfung keine alternativen Maßnahmen in Betracht ist bei jeder Überwachungskamera zu prüfen, ob eine Überwachung auf bestimmte Betriebszeiten und Erfassungsbereiche eingeschränkt werden kann, ohne dass der Überwachungszweck gefährdet ist.

2.3. Keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Betroffenen
Die Videoüberwachung darf nur erfolgen, wenn schutzwürdige Interessen nicht überwiegen.

Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind zwingend die betroffenen Interessen anhand des konkreten Einzelfalles abzuwägen. Das Abstellen auf eine abstrakte oder im Allgemeinen vergleichbare Interessenlage reicht nicht aus.

Abzuwägen sind die Bedeutung der mit der Videoüberwachung verfolgten Interessen des Verantwortlichen bzw. Dritten (insbesondere, ob durch die Maßnahme höherrangige Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit oder Freiheit geschützt werden sollen) mit der Intensität des Eingriffs.

Diese Eingriffsintensität bestimmt sich
  • anhand des betroffenen Personenkreises (sind z.B. Kinder oder Arbeitnehmer von der Videoüberwachung betroffen? Kann nach den objektiven Umständen vernünftigerweise mit einer Videoüberwachung gerechnet werden?),
  • der Art und des Umfangs der erfassten Informationen (z.B. dauerhafte Erfassung? Keine Ausweichmöglichkeit?) und
  • der Art und Weise der Datenverarbeitung (z.B. anlassbezogen oder ohne Anlass? Dauerhafte Speicherung?).
3. Hinweispflicht
Nach den Art. 12 ff. DSGVO sind die relevanten Informationen der Datenverarbeitung gegenüber dem Betroffenen transparent, umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu kommunizieren.

Betroffene sind somit vor dem Betreten videoüberwachter Bereiche auf die Datenverarbeitung hinzuweisen, damit sie ihr Verhalten entsprechend ausrichten können.

In Betracht kommt nach der Orientierungshilfe der DSK eine Information der Betroffenen in zwei Schritten: Ein gut sichtbares Hinweisschild mit einem standardisierten Bildsymbol kann dem Betroffenen zunächst einen schnell wahrnehmbaren Überblick über die wichtigsten Informationen verschaffen. In einem zweiten Schritt können vollständige Informationen gemäß Art. 13 Abs. 1 und 2 DSGVO an geeigneter Stellte ausgelegt, aufgehängt und auf einer Webseite vorgehalten werden.

Die jeweils überwachten Bereiche und der jeweils datenschutzrechtlich Verantwortliche sollen für die Betroffenen stets gut erkennbar sein.

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