Das OLG Köln hat mit
Berufungsurteil vom 06.03.2020 (Az. 6 U 140/19)
entschieden, dass die als Blickfang gestaltete Werbung auf der Webseite einer als GbR organisierten Zahnarztpraxis für einen „Zahnärztlichen Notdienst“ in ihrer dortigen konkreten Gestaltung irreführend i.S.d.
§ 5 Abs. 1 UWG
und damit lauterkeitsrechtlich unzulässig ist. Die Werbung erwecke bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verbraucherkreise den Eindruck, dass es sich um einen von der Zahnärztekammer organisierten Notdienst handele. Die von den Beklagten genutzte Internetadresse lasse nicht erkennen, dass es sich um die Webseite einer Praxis oder Zahnklinik handele. Der durch „Runterscrollen“ zu erreichende Hinweis am Ende der Seite, dass es sich nicht um einen Notdienst der Kassenzahnärztlichen Vereinigung oder der örtlichen Zahnärztekammer handele, könne die Irreführung hier nicht beseitigen.
Der Beitrag fasst die wesentlichen Erwägungen des OLG Köln aus seinem Berufungsurteil im Hinblick auf den Irreführungstatbestand nach § 5 Abs. 1 UWG zusammen und zieht hieraus Schlussfolgerungen für die Praxis.
Was war passiert?
Die Beklagten sind (abgesehen von einem zwischenzeitlich als Gesellschafter ausgeschiedenen Beklagten) Gesellschafter einer als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) organisierten zahnärztlichen Praxisgemeinschaft. Die GbR ist Betreiberin zweier Internetseiten und bewirbt darauf unter anderem einen zahnärztlichen Notdienst. Dieser wird an allen Wochentagen, samstags, sonntags und an Feiertagen jeweils von 7 bis 22 Uhr angeboten. Nach der Darstellung der Zeiten und des Angebotsinhalts in Form eines hervorgehobenen Balkens folgt am Ende der Seiten ein Hinweis, dass es sich nicht um einen Notdienst der Kassenzahnärztlichen Vereinigung handele.
Die GbR der Beklagten verfügt über keine behördliche Genehmigung für eine Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen. Die Beklagten hatten eine solche bei der Bezirksregierung beantragt, jedoch nicht erteilt erhalten.
Bei der Klägerin handelt es sich um die örtliche Zahnärztekammer, welche in ihrem Kammerbezirk die Berufsaufsicht über Zahnärzte ausübt.
Nach Ansicht der Klägerin ist die Werbung auf den Internetseiten der Beklagten irreführend. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die Aussagen in der Werbung für den Notdienst dahingehend, dass es sich um das Angebot eines öffentlich-rechtlich organisierten Notdienstes handele. Der klarstellende Hinweis am Ende der Seite, der ohnehin erst durch „Scrollen“ sichtbar werde, könne die Irreführung nicht beseitigen. Der Verkehr verstehe die Werbung zudem so, dass der Notdienst „rund um die Uhr“ angeboten werde. Weiterhin begründe das Angebot von zahnärztlichen Leistungen an Sonn- und Feiertagen einen Verstoß gegen § 3a UWG in Verbindung mit dem Feiertagsgesetz NRW.
Wie war der bisherige Prozessverlauf?
Nach erfolgloser außergerichtlicher Abmahnung erhob die Klägerin vor dem Landgericht Köln (Az. 31 O 229/18) Unterlassungsklage, mit den Anträgen (im Folgenden sinngemäß wiedergegeben), die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung der näher bezeichneten Ordnungsmittel zu unterlassen,
1. für einen „Zahnärztlichen Notdienst“ zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies geschieht, wie in den Anlagen beigefügten Werbungen;
und/oder
2. Behandlungstermine an Sonn- und Feiertagen anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, solange keine gesetzliche oder behördliche Genehmigung für eine solche Tätigkeit vorliegt.
Einer der Beklagten schied im Verlauf des Rechtsstreits aus der Praxisgemeinschaft aus. Er hat sich strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet und sich verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Parteien haben den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Das Landgericht Köln hat in erster Instanz die Klage gegen die übrigen Beklagten abgewiesen. Eine Irreführung liegt nach Ansicht des Landgerichts nicht vor. Die Nutzer der Seite seien sich darüber im Klaren, dass sie sich auf der Internetseite der Beklagten befinden. Mögliche Zweifel würden jedenfalls durch den Hinweis am Ende der Seite ausgeräumt.
Es würde auch keine Fehlvorstellung über den zeitlichen Umfang des Angebotes begründet, weil die Zeiten ausdrücklich und gut sichtbar dargestellt würden.
Es sei zudem nicht ersichtlich, dass die Beklagten andere Leistungen als Notfallbehandlungen an einem Sonn- oder Feiertag erbracht hätten.
Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung beim OLG Köln.
Im Hinblick auf zwei von ursprünglich drei der im Rahmen der Klage beanstandeten Werbedarstellungen hat die Klägerin die Berufung teilweise zurückgenommen, offenbar, weil das OLG in der Berufungsverhandlung darauf hingewiesen hatte, dass es diese beiden Werbedarstellungen nach vorläufiger Bewertung nicht für irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 UWG hält.
Wie hat das OLG Köln entschieden?
Auf die Berufung der Klägerin ändert das OLG Köln das Urteil des Landgerichts ab und verurteilt die Beklagten es bei Meidung der näher bezeichneten Ordnungsmittel zu unterlassen,
geschäftlich handelnd für einen „Zahnärztlichen Notdienst“ zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies geschieht, wie in der Anlage des Urteils beigefügten Werbung.
Im Übrigen weist auch das OLG Köln die Klage ab.
Irreführende BlickfangwerbungNach Ansicht des OLG Köln besteht im Hinblick auf die von der Klägerin zuletzt konkret in Bezug genommene Werbung ein Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten aus § 8 Abs. 1, 3, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1
UWG.
Die Werbung sei irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG. Eine Werbung sei irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale einer Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile pp. enthält. Bei der Prüfung, ob eine Angabe geeignet ist, den Verkehr irrezuführen, komme es nicht auf den objektiven Wortsinn und nicht darauf an, wie der Werbende selbst seine Aussage verstanden wissen will. Entscheidend sei vielmehr die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet. Vor diesem Hintergrund könne auch eine gesetzlich zulässige und damit objektiv richtige Angabe irreführend sein, wenn sie beim angesprochenen Verkehr zu einer Fehlvorstellung führt, die geeignet ist, sein Kaufverhalten zu beeinflussen.
Die zum Gegenstand des Unterlassungsantrags gemachte Internetseite richte sich an ggf. unter Schmerzen leidende mögliche Patienten oder Dritte, die auf der Suche nach einem Zahnarztnotdienst sind. Damit richte sich die Angabe an einen allgemeinen Verbraucherkreis, zu dem auch die erkennenden Richter selbst zählten.
Nach diesen Grundsätzen liege eine erhebliche Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise im Rahmen der als Anlage vorgelegten Internetseite der Beklagten vor. Die angesprochenen Verbraucherkreise würden hier darüber getäuscht, dass es sich um den von der Klägerin, also einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, organisierten Notdienst handele.
Entgegen der Ansicht der Beklagten könne hier nicht davon ausgegangen werden, dass der angesprochene Verkehr bemerkt, auf welcher Internetseite er sich befindet. Die betreffende Internetadresse lasse bereits für sich betrachtet nicht erkennen, dass es sich um die Internetseite einer Praxis oder einer Zahnklinik handelt. Vielmehr handele es sich um eine neutrale Bezeichnung, die auf eine Gemeinschaft von Ärzten in der Stadt A hinweise. Es liege nicht fern, dass es sich um die (Zahn-) Ärzte handele, die in der Klägerin organisiert sind. Weiter werde auf der Internetseite prominent und im Rahmen eines Blickfangs auf den zahnärztlichen Notdienst hingewiesen. Dieser Hinweis erfolge in einem sich über die gesamte Seite erstreckenden blau hervorgehobenen Balken, in dem weiter lediglich die Zeiten, zu denen der Notdienst angeboten wird, und eine Telefonnummer angegeben werden. Unterhalb der Hervorhebung folge ein Text, der in größerer Schrift und farblich hervorgehoben auf den zahnärztlichen Notdienst hinweist. Sodann – erneut in kleinerer Schrift – folge die Darstellung „Unsere Ärzte und Zahnärzte der C stehen am Montag bis Sonntag von 7 – 22 Uhr für Sie bereit“.
Aus den Hinweisen auf der Seite ergäbe sich nicht, dass die Beklagten allein den von ihnen selbst organisierten Notdienst bewerben. Vielmehr vermittele die Internetseite aufgrund der besonderen Hervorhebung des Notdienstes und der neutralen Internetadresse den Eindruck, es handele sich um den von der Klägerin organisierten Notdienst. Auf dieser Internetseite seien keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Notdienst von den Beklagten selbstständig angeboten wird.
Soweit am Ende der Seite eine Richtigstellung erfolgt, in der die Beklagten darauf hinweisen, dass es sich nicht um den von der Klägerin organisierten Notdienst handelt, begründe dies kein anderes Ergebnis, weil die Irreführung im Rahmen der deutlichen Hervorhebung des Notdienstes und damit als Blickfang erfolgt, während der Hinweis nicht – auch nicht durch einen Sternchenhinweis – im Zusammenhang mit dem Blickfang dargestellt werde.
Eine nicht unerhebliche Anzahl der Patienten werde seine Entscheidung, einen bestimmten Zahnarzt aufzusuchen, auch davon abhängig machen, ob es sich um den organisierten Notdienst der Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt. Zahlreiche Patienten werden diesen Notdienst bewusst unterstützen wollen, damit das entsprechende Angebot dauerhaft aufrechterhalten werden kann. Es liege somit eine erhebliche Irreführung vor.
Keine Irreführung im Hinblick auf Angaben zu Öffnungszeiten
Nach Ansicht des OLG Köln liegt im Hinblick auf die von der Klägerin beanstandete, vermeintliche 24-stündige Erreichbarkeit des Notdienstes keine Irreführung vor. Auf die Erreichbarkeit des Notdienstes zwischen 7 und 22 Uhr werde auf der Internetseite deutlich hingewiesen.
Kein Verstoß gegen Feiertagsgesetz
Das OLG Köln verneint zudem einen Verstoß gegen § 3 Feiertagsgesetz NRW als Marktverhaltensverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG. Das Landgericht habe insoweit zutreffend die Klage abgewiesen.
Ein Verstoß gegen § 3 Feiertagsgesetz liege – soweit zahnärztliche Notfälle behandelt werden – nicht vor. Den Beklagten könne nicht untersagt werden, eine Notfallbehandlung anzubieten.
Nach § 3 Feiertagsgesetz NRW sind an Sonn- und Feiertagen alle öffentlich bemerkbaren Arbeiten verboten, die geeignet sind, die äußere Ruhe des Tages zu stören, sofern sie nicht besonders erlaubt sind.
Nach § 4 Nr. 3 Buchst. b Feiertagsgesetz NRW sind alle unaufschiebbaren Arbeiten erlaubt, die zur Abwendung eines erheblichen Schadens der Gesundheit erforderlich sind.
Selbst wenn die Behandlung zahnärztlicher Notfälle unter § 3 des Feiertagsgesetztes NRW falle, handele es sich dabei um eine unaufschiebbare Arbeit i.S.d. § 4 Nr. 3 Feiertagsgesetz NRW. Ob diese unaufschiebbare Arbeit von einem öffentlich-rechtlich organisierten Notdienst oder dem Notdienst einer Zahnarztpraxis ausgeführt werde, sei im Rahmen des § 4 Nr. 3 Feiertagsgesetz NRW unerheblich. Auch hätten die Beklagten für Sonn- und Feiertage allein zahnärztliche Notfallbehandlungen und keine sonstigen Behandlungen angeboten.
Praktische Hinweise
Eine Praxisgemeinschaft ist grundsätzlich berechtigt, für einen von ihr angebotenen Notdienst zu werben. Bei der Beurteilung von insoweit möglicherweise irreführenden Angaben i.S.d. § 5 Abs. 1 UWG im Rahmen eines werbenden Internetauftrittes kann zunächst insbesondere die für eine Webseite verwendete Internetadresse von Bedeutung sein. Eine weitgehend „neutrale“ Bezeichnung (wie z.B. www.Zahnarztnotdienst-in-X-Stadt.de) kann dabei für sich eine Irreführung begründen, weil durch sie bei einem erheblichen Teil der maßgeblichen Verbraucherkreise der unzutreffende Eindruck erweckt werden kann, dass der auf der Webseite beworbene Notdienst öffentlich-rechtlich organisiert ist.
Zudem darf eine auf der Internetseite enthaltene Blickfangwerbung (in entschiedenen Fall insbesondere der blaue, hervorgehobene Balken mit Angaben zu dem Notdienst) nicht irreführend sein. Unter Blickfangwerbung ist jede in einer Werbung hervorgehobene Angabe zu verstehen. In Blickfangwerbung enthaltene Angaben müssen wahr und unmissverständlich sein. In Fällen, in denen der Blickfang für sich genommen eine fehlerhafte Vorstellung vermittelt, muss der dadurch veranlasste Irrtum regelmäßig durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis (z.B. in Form eines Sternchenhinweises) ausgeschlossen werden, der selbst am Blickfang teilhat (vgl. etwa
BGH, Urt. v. 24.10.2002, I ZR 50/00 – Computerwerbung II).