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BGH-Urteil zur wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit von Inkasso-Schreiben

Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa • 23. August 2018
1. Zusammenfassung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 22.03.2018 (Az. I ZR 25/17) entschieden, dass das Schreiben eines Inkassounternehmens, das eine Zahlungsaufforderung sowie die Androhung gerichtlicher Schritte und anschließender Vollstreckungsmaßnahmen enthält und nicht verschleiert, dass der Schuldner in einem Gerichtsverfahren geltend machen kann, den beanspruchten Geldbetrag nicht zu schulden, keine wettbewerbswidrige, aggressive geschäftliche Handlung i.S.d. §§ 3 Abs. 1, 4 a Abs. 1 S. 1 UWG darstellt. Die Revision der Verbraucherzentrale Bayern in einem gegen das beklagte Inkassounternehmen geführten Unterlassungsklageverfahren wurde vom BGH zurückgewiesen.

2. Rechtliche Ausgangslage


Nach § 4a Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte.

Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers durch unzulässige Beeinflussung erheblich zu beeinträchtigen. Eine unzulässige Beeinflussung liegt nach § 4a Abs. 1 Satz 3 UWG vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.

3. Entscheidung des BGH

3.1. Sachverhalt und Verfahrensgang


Die Klägerin beanstandet insbesondere folgende, vom beklagten Inkassounternehmen in seinen Aufforderungsschreiben verwendete Formulierungen als wettbewerbsrechtlich unzulässig, weil durch den hierdurch erzeugten Druck die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher unzulässig beeinträchtigt werde:

- „Letztmalig geben wir Ihnen die Möglichkeit, Ihre Forderungsangelegenheit ohne negative Auswirkungen für Sie zu erledigen. Die Gesamtforderung beträgt derzeit € … und wächst durch Zinsen und Gebühren laufend an. Dieser Betrag erhöht sich nochmals erheblich, sobald wir einen gerichtlichen Mahnbescheid gegen Sie veranlassen. Nutzen Sie diese Chance und ersparen Sie sich gerichtliche Schritte und den Besuch des Gerichtsvollziehers oder Pfändungsmaßnahmen auf Konten und Einkünfte.“

- „Die Einleitung gerichtlicher Schritte steht unmittelbar bevor. Nach Erwirkung eines Vollstreckungstitels besteht 30 Jahre lang die Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung gegen Sie zu betreiben: Gerichtsvollzieher, Lohnpfändung, Kontopfändung, Haftbefehl, eidesstattliche Versicherung etc. … Zusätzlich sind die durch diese Maßnahmen entstehenden Kosten gemäß §§ 284, 286 BGB von Ihnen zu tragen. Die derzeit offene Gesamtforderung von € … wird sich dadurch weiter erhöhen.“

Nach erfolgloser außergerichtlicher Abmahnung erhob die Klägerin vor dem Landgericht Frankenthal Klage auf Unterlassung sowie Zahlung von Abmahnkosten. Das Landgericht wies die Klage ab. Die von der Klägerin beim OLG Zweibrücken eingelegte Berufung wurde zurückgewiesen. Das OLG Zweibrücken führte im Wesentlichen aus, dass ein Inkassounternehmen zwar grundsätzlich in der Lage sei, auf den jeweiligen Schuldner Druck auszuüben. Das Vorgehen der Beklagten stelle jedoch keine wettbewerbswidrige aggressive geschäftliche Handlung dar.

3.2. Begründung des BGH

Nach Auffassung des BGH ist die Berufungsentscheidung des OLG Zweibrücken rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Ausübung von Druck durch Drohung mit einer rechtlich zulässigen Maßnahme (hier: die Drohung mit gerichtlichem Vorgehen) könne den Tatbestand der unzulässigen Beeinflussung erfüllen, wenn bei dieser Drohung verschleiert wird, dass der Schuldner die Möglichkeit hat, den Eintritt der angedrohten Maßnahme zu verhindern. Die betreffenden Aussagen stellen danach insbesondere aus den folgenden Erwägungen keine wettbewerbsrechtlich unzulässigen, aggressiven geschäftlichen Handlungen dar:

Das Schreiben enthalte eine mit bestimmten Zahlungsvorschlägen verbundene Zahlungsaufforderung sowie die Androhung gerichtlicher Schritte und anschließender Vollstreckungsmaßnahmen. Es werde nicht suggeriert, dass eine Rechtsverteidigung des Schuldners aussichtslos sei und dass der Schuldner mögliche Einwände nicht auch in einem Gerichtsverfahren geltend machen könne. Der juristisch nicht vorgebildete Verbraucher wisse, dass er in einem Zivilprozess nicht zwangsläufig zur Zahlung verurteilt werde und seine eigene Sachverhaltsdarstellung und Rechtsauffassung dem Gericht zur Prüfung unterbreiten könne.

Der Umstand, dass die von der Klägerin in dem Schreiben geltend gemachte Forderung verjährt sein könnte, hindere die Klägerin nicht daran, die Forderung geltend zu machen und begründe kein wettbewerbswidriges Verhalten.

Auch der in dem Schreiben enthaltene Hinweis auf mögliche Vollstreckungsmaßnahmen verschleiere nicht, dass für deren Einleitung vorherige gerichtliche Schritte und insbesondere das Vorhandensein eines vollstreckbaren Titels erforderlich sind.

4. Fazit

Im Rahmen der Beurteilung der Frage, ob die Drohung mit einer rechtlich zulässigen Maßnahme (hier: die Drohung mit gerichtlichen Schritten und Vollstreckungsmaßnahmen) eine wettbewerbswidrige aggressive geschäftliche Handlung darstellt, ist grundsätzlich zu prüfen, ob bei der Drohung im konkreten Fall verschleiert wird, dass der Schuldner die Möglichkeit hat, den Eintritt der angedrohten Maßnahme zu verhindern.

Aus Verbrauchersicht ist klarzustellen, dass der BGH hier im Grundsatz lediglich die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der in dem Inkassoschreiben enthaltenen Aussagen zu beurteilen hatte und nicht, ob die in dem betreffenden Schreiben vom Inkassobüro geltend gemachte Forderung dem Grunde und der Höhe nach tatsächlich besteht. Die Begründetheit von Zahlungsaufforderungen (insbesondere auch sogenannter Nebenforderungen) sollte vom Adressaten im jeweiligen Einzelfall stets umfassend geprüft werden.
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