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Referentenentwurf für neues Geheimnisschutzgesetz: wesentliche Regelungen und praktische Folgen

Rechtsanwalt Tarek Alexander Issa • 10. Juli 2018
1. Einführung

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat kürzlich den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/943 („Know-how-Schutz-Richtlinie“) nebst Begründung veröffentlicht. Diese EU-Richtlinie hätte bis zum 09. Juni 2018 umgesetzt werden müssen. Der vorliegende Beitrag soll einen kurzen Überblick zu wesentlichen Regelungen des Referentenentwurfs des „GeschGehG“ unter Berücksichtigung der Begründung des BMJV vermitteln.

2. Warum ein neues Gesetz?

Nach Angaben des BMJV reichen die bestehenden rechtlichen Regelungen für eine Umsetzung der Vorgaben der EU-Richtlinie nicht aus. Im deutschen Recht wird der Schutz von Geschäftsgeheimnissen bislang in den (Straf-)Vorschriften der §§ 17-19 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie über §§ 823, 826 (ggf. i. V. m. § 1004 analog) BGB geregelt. Da die genannten UWG-Regelungen, anders als die Richtlinie, das Vorliegen einer besonderen Absicht des Verletzers erfordern, genügen diese nach Ansicht des BMJV den Anforderungen der EU-Richtlinie nicht. Es sei daher eine Neuregelung erforderlich.

3. Wesentliche Regelungen des Referentenentwurfs

3.1. Definition des Geschäftsgeheimnisses mit dem Erfordernis von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen

§ 1 Nr. 1a und b des GeschGehG enthalten eine Definition zum Begriff des Geschäftsgeheimnisses:

Ein Geschäftsgeheimnis ist danach

„eine Information, die

a) weder insgesamt noch in ihren Einzelheiten den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und

b) Gegenstand von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist.“

Besondere praktische Bedeutung dürfte dabei der obigen Regelung des § 1 Nr. 1b mit dem Erfordernis der angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen zukommen. Nach bisheriger Rechtsprechung wurde ein Geheimhaltungswille des Geheimnisinhabers grundsätzlich vermutet. Nach der Vorschrift des § 1 Nr. 1b liegt ein Geschäftsgeheimnis jedoch nur vor, wenn die Information Gegenstand von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen ist. Der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses muss somit nunmehr im Streitfall auch darlegen und beweisen, dass angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen wurden. Welche Geheimhaltungshaltungsmaßnahmen „angemessen“ sind, hänge nach Angaben des BMJV von der Art des Geschäftsgeheimnisses im Einzelnen ab. Der Inhaber sollte für sich die jeweilige geheime Information jedenfalls als solche identifizieren. Bei der Frage der Angemessenheit der rechtlichen, technischen oder physischen Maßnahmen seien insbesondere der Wert des Geschäftsgeheimnisses und die Entwicklungskosten, die Bedeutung für das Unternehmen sowie die üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen im Unternehmen zu berücksichtigen.

3.2. Rechtsverletzer

Rechtsverletzer ist nach § 1 Nr. 3 des GeschGehG jede natürliche oder juristische Person, die entgegen den in § 3 geregelten Handlungsverboten ein Geschäftsgeheimnis rechtswidrig erlangt, nutzt oder offenlegt.

Die Handlungsverbote in § 3 erfassen dabei insbesondere die unbefugte Aneignung oder unbefugtes Kopieren von Dokumenten etc. (§ 3 Abs. 1 Nr. 1) sowie jedes sonstige treuwidrige Verhalten (§ 3 Abs. 1 Nr. 2), durch welches das Geschäftsgeheimnis erlangt wurde.

3.3. Rechtfertigungsgründe, insbesondere bei sog. Whistleblowing

§ 4 enthält Fallgruppen, in denen eine Verletzung von Geschäftsgeheimnissen gerechtfertigt ist, wenn dies zum Schutz eines berechtigten Interesses erforderlich ist.

Neben Gründen der Meinungs- und Informationsfreiheit (§ 4 Nr. 1) und der Aufgabenerfüllung der Arbeitnehmervertretung (§ 4 Nr. 3) ist eine Verletzung des Geschäftsgeheimnisses auch gerechtfertigt, um eine rechtswidrige Handlung oder ein anderes Fehlverhalten aufzudecken (§ 4 Nr. 2). Die aufdeckende Person muss dabei in der Absicht gehandelt haben, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Nach den Angaben des BMJV soll die Vorschrift des § 4 Nr. 2 damit sog. Whistleblower schützen. Der Begriff des Fehlverhaltens umfasse über das rechtswidrige Verhalten hinaus Aktivitäten, die ein unethisches Verhalten darstellen, aber nicht notwendigerweise gegen Rechtsvorschriften verstoßen, wie z. B. gesundheits- oder umweltschädliche Produktionsbedingungen im Ausland. Die erforderliche Absicht, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen, muss nach Ansicht des BMJV das dominierende, jedoch nicht das ausschließliche Motiv des Geheimnisverletzers sein. Der Whistleblower sollte daher sein Verhalten und die Motive hierfür plausibel darlegen können.

3.4. Wesentliche Ansprüche bei Rechtsverletzung

Im Verletzungsfall hat der Geschäftsgeheimnisinhaber gegen den Verletzer insbesondere Ansprüche auf Unterlassung (§ 5), Vernichtung und Rückruf (§ 6 Nr. 1 und 2), Auskunft (§ 7 Abs. 1) und, bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Handeln des Verletzers, auf Schadensersatz (§ 9 Abs. 1).

Nach § 11 S. 1 hat der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses die Ansprüche nach den §§ 5 bis 7 auch gegen den Inhaber eines Unternehmens, wenn der Rechtsverletzer Beschäftigter oder Beauftragter dieses Unternehmens ist. Nach Angaben des BMJV sei Voraussetzung für die Haftung des Inhabers des Unternehmens, dass der Rechtsverletzer die Verletzungshandlung in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang mit den von ihm wahrgenommenen Aufgaben im Unternehmen begangen hat. Ein Handeln für einen Dritten oder im eigenen Interesse reiche nicht aus. Auf ein Verschulden des Inhabers des Unternehmens komme es nicht an.

3.5. Geheimhaltung in Gerichtsverfahren

§ 15 Abs. 1 regelt, dass das Gericht der Hauptsache in Geheimnisstreitsachen auf Antrag einer Partei streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig einstufen kann, wenn diese ein Geschäftsgeheimnis sein können. § 15 Abs. 2 sieht eine Vertraulichkeitsverpflichtung für die an Geheimnisstreitsachen beteiligten Personen vor. Bei Zuwiderhandlungen gegen diese Vertraulichkeitsverpflichtung sieht § 16 insbesondere die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von bis zu 1.000 € vor. Ob ein solches Ordnungsgeld der Höhe nach als angemessen anzusehen ist, erscheint vor dem Hintergrund des mitunter hohen wirtschaftlichen Wertes von Geschäftsgeheimnissen zweifelhaft.
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